News
30. Oktober 2021
Bundesdelegiertenversammlung 2021
Ein Bericht von der ordentlichen Bundesdelegiertenversammlung des Deutschen Tonkünstlerverbands am 25.09.2021 in Mannheim.
Zur Vorgeschichte: Im DTKV hat sich Anfang 2021 eine Reforminitiative formiert, die an frühere Ideen zur Umgestaltung des Verbands anknüpft und sich, unter wesentlicher Beteiligung der Landesvorstände aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Hessen und Berlin, für eine stärkere Repräsentation der kleineren Landesverbände und für eine Änderung des derzeit geltenden Delegiertenschlüssels in der Bundesdelegiertenversammlung einsetzt (der dafür sorgt, dass die mitgliederstarken Landesverbände Bayern und Baden-Württemberg gemeinsam bereits eine absolute Mehrheit besitzen). In der Folge mehrerer länderübergreifender Videokonferenzen im Februar und März 2021 kam es zur Erarbeitung eines alternativen Konzepts für die Stimmenverteilung der Länder und entsprechenden Satzungsänderungsanträgen, die zwei außerordentliche Bundesdelegiertenversammlungen im Juni und September 2021 nach sich zogen. Bei diesen zum Teil chaotisch verlaufenen Online-Versammlungen kam es nicht zu einer Beschlussfassung zu den eingereichten Satzungsänderungsanträgen, weil das Bundespräsidium über diese ohne vorherige Diskussionsmöglichkeit in einem schriftlichen Umlaufverfahren abstimmen lassen wollte; infolgedessen wurde die Beschlussfassung abgebrochen mit dem klaren Votum der Delegierten, die Anträge auf der ordentlichen Bundesdelegiertenversammlung in Mannheim zu behandeln.
Bericht: Die ordentliche Bundesdelegiertenversammlung fand am 25.09.2021 in Präsenz in den Räumen der Mannheimer Versicherung statt. Hier fanden sich die Satzungsänderungsanträge nicht auf der Tagesordnung, was gleich zu Beginn moniert wurde und dazu führte, dass ein weiterer, von den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Hessen gestellter Antrag vorgezogen wurde, der vorsah, eine Strukturkommission zur Erarbeitung einer Satzungsreform einzurichten. Die Diskussion über diesen Antrag verlief – auch dank des kompetenten und fairen Versammlungsleiters, eines Mannheimer Anwalts – recht ausgewogen, und in der folgenden geheimen Abstimmung ergab sich eine Mehrheit für die Einrichtung einer Strukturkommission (die aufgrund mehrerer Enthaltungen zustande kam). Es wurde beschlossen, dass die Kommission im Rahmen der DTKV-Länderkonferenz am 20.11.2021 gebildet werden und bis Ende 2022 eine Beschlussvorlage für einen veränderten Delegiertenschlüssel bzw. damit verbundene Satzungsänderungen vorlegen soll. Dies ist ein erster Erfolg für die Reforminitiative, wenn auch nur ein kleiner Schritt, denn alles Weitere hängt stark davon ab, wer in der Strukturkommission mitarbeiten wird, wie effektiv diese agiert und ob sich schließlich eine Mehrheit für die erforderlichen Satzungsänderungen, für die 2/3 der Bundesdelegierten stimmen müssen, findet.
Die Versammlung in Mannheim verlief erwartungsgemäß in bestimmten Phasen auch konfrontativ; die Meinungsverschiedenheiten und die Teilung in einen eher konservativ ausgerichteten Süd-Block und die übrigen Länder war bei vielen Abstimmungen sogar im Raum sichtbar. Der Landesverband Sachsen hat schon vor einiger Zeit seinen Austritt aus dem Bundesverband erklärt, es aber zuletzt vom Erfolg der Reforminitiative abhängig gemacht, ob der Austritt in die Tat umgesetzt wird. Wegen angeblich für dieses Jahr noch nicht bezahlter Beiträge wurden den sächsischen Delegierten zunächst die Stimmzettel verweigert und dann durch einen vom Bundespräsidium eingeleiteten Versammlungsbeschluss das Stimmrecht entzogen – ein fragwürdiger Akt, denn der Stimmrechtsentzug geschah ohne vorherige Warnung oder Benachrichtigung. Dies hinderte die sächsischen Delegierten aber nicht daran, sich mit fundierten Redebeiträgen und Kritik in die Diskussionen einzubringen.
Wichtigster Tagesordnungspunkt waren die turnusmäßigen Wahlen des Bundespräsidiums. Hier konnte sich erwartungsgemäß niemand von den angetretenen Reformerkandidat_innen durchsetzen; stattdessen wurden alle vom bisherigen Präsidium vorgeschlagenen Kandidaten gewählt. So wird auch zukünftig ein eher konservativ ausgerichtetes und den Reformvorhaben mit Skepsis begegnendes Bundespräsidium amtieren – unter der Führung des neuen DTKV-Präsidenten Christian Höppner aus Berlin, der sich parallel zu seiner Tätigkeit als Generalsekretär des Deutschen Musikrats und verschiedenen anderen Ehrenämtern nun auch im DTKV engagieren will. Sein Bewerbungsstatement klang allerdings eher wie eine kulturpolitische Rede und enthielt wenig greifbare Perspektiven für die DTKV-Mitglieder, insbesondere für die vielen Freischaffenden. Neuer erster Vizepräsident ist der Pianist Hans-Peter Stenzl aus Stuttgart, dessen inhaltlich wenig konturierte Ansprache sich auf die vermeintlich produktive Wirkung der Kunstausübung fokussierte. Als zweiter Vizepräsident und als Schatzmeister wurden Edmund Wächter und Wilhelm Mixa aus Bayern wiedergewählt. Als neuer Schriftführer wurde in Folge einer zwischen dem bisherigen Präsidium und dem Landesverband Brandenburg ausgehandelten Vereinbarung der Pianist Christian Seibert aus Frankfurt / Oder gewählt, der angekündigt hat, sich für Reformen und insbesondere für die Belange der östlichen Bundesländer einsetzen zu wollen.
Bedingt durch die Stimmmacht von Bayern und Baden-Württemberg zeichnet sich ab, dass sich in der nächsten Zeit in der Verbandsführung wenig ändern wird: der Bundesverband wird im Wesentlichen repräsentiert durch süddeutsche Männer (es wurde keine Frau und nur eine Person unter 60 ins Präsidium gewählt), die wenig Willen zur Veränderung zeigen und nur widerstrebend Impulse aus den Landesverbänden aufnehmen, die von der Linie des Präsidiums abweichen. Die Mehrheitsverhältnisse sind deutlich, und solange der Delegiertenschlüssel nicht geändert wird, werden weiterhin zwei Bundesländer, die das Präsidium maßgeblich stützen, ihren Willen gegenüber den Übrigen durchsetzen können.
Die Abstimmungsergebnisse bei den Wahlen waren wie folgt:
- Präsident: Christian Höppner (63 Stimmen), Christian Scheibler (8 Stimmen), vier Enthaltungen
- Erster Vizepräsident: Hans-Peter Stenzl (48 Stimmen), Wendelin Bitzan (28 Stimmen), eine Enthaltung
- Zweiter Vizepräsident: Edmund Wächter (56 Stimmen), Stephanie Dathe (21 Stimmen), keine Enthaltungen
- Schatzmeister: Wilhelm Mixa (50 Stimmen), Agnes Stein von Kamienski (23 Stimmen), vier Enthaltungen
- Schriftführer: Christian Seibert (54 Stimmen), Stephanie Dathe (21 Stimmen), zwei Enthaltungen
Der alte und neue Schatzmeister Wilhelm Mixa hat auf eloquente Weise über seine Kassenführung berichtet und vermittelte den Eindruck, solide gewirtschaftet zu haben. Allerdings reagierte er bei Rückfragen, etwa zu den in den letzten Jahren stark angestiegenen Personalausgaben für die Bundesgeschäftsstelle, ungehalten und empfand den geäußerten Wunsch, die Kassenbücher und den Wirtschaftsprüfungsbericht der Passauer Firma Consilia einsehen zu können (diese Dokumente waren nicht wie die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für die letzten beiden Jahre vorab mit den Unterlagen zur Bundesdelegiertenversammlung versandt worden), offenbar als Angriff. Trotz erteilter Entlastung des Präsidiums wirkte der Umgang mit sachlicher Kritik hier nicht souverän. Wirkliche Transparenz ist nicht gegeben: Eine Kassenprüfung durch die Delegierten selbst ist bisher nie durchgeführt worden und wurde auch diesmal wieder von der Versammlung abgelehnt. Immerhin gab es eine Mehrheit für die Einrichtung eines Finanzausschusses, in dem Delegierte gemeinsam mit dem Schatzmeister die Kassenunterlagen einsehen können sollen.
Der neu gewählte Präsident Christian Höppner ist im Gespräch und beim abendlichen Empfang freundlich und diplomatisch in Erscheinung getreten. Seine Kontakte in alle Bereiche der institutionalisierten Musikszene und Kulturpolitik können dem DTKV sicher nützen; es bleibt abzuwarten, ob er auch bei kontroversen Themen Position beziehen oder bereit sein wird, Anliegen der Mitglieder gegen Widerstände durchzusetzen. Nach seiner Teilnahme an der Mitgliederversammlung des DTKV Berlin im Herbst 2019 war er nach eigenem Bekunden entsetzt von der damals desolaten Stimmung im Verband; er hatte gehofft, eine vermittelnde Position einnehmen zu können, wohl ohne sich darüber im Klaren zu sein, wie weit die Konflikte damals bereits eskaliert waren. Im Berliner Landesverband wird Höppner sich auch in Zukunft nicht verstärkt engagieren, ist aber in Belangen des Bundesverbands ansprechbar.
Die Tagesordnung der Bundesdelegiertenversammlung konnte in der vorgesehenen Zeit nicht vollständig abgearbeitet werden, so dass abends beantragt und beschlossen wurde, die Präsenzversammlung zu schließen und die noch ausstehenden Entscheidungen im schriftlichen Umlaufverfahren zu treffen, darunter auch die Vorstellung des Planetats für 2021 / 2022 (über den in der Tagesordnung keine Beschlussfassung vorgesehen war, wie es die Satzung fordert). Der letztere Punkt führte während der auf die Versammlung folgenden Wochen zu Unstimmigkeiten, weil die Bundesgeschäftsstelle trotz eines gestellten Antrags auf geheime Abstimmung über die Genehmigung des Planetats die angestrebte offene Abstimmung weiterführte. Mehrere Landesvorstände haben gegen dieses Vorgehen protestiert – bisher mit offenem Ausgang.
Wendelin Bitzan
Ähnliche News
-
20. Dezember 2024
Stellungnahme zu der Bundestagspetition 174929 -
9. Dezember 2024
Bundesverband äußert sich zu Kürzungen in Berlin -
16. November 2024
Bundesdelegiertenversammlung 2024 -
6. November 2023
Bundesdelegiertenversammlung 2023 -
21. März 2023
Ein bedenkliches Signal für die freie Musikszene -
6. November 2022
Bundesdelegiertenversammlung 2022 -
10. April 2022
Umfrage: Kooperationen mit Schulen